Lohnt beten?

Von Pfarrer Christoph Funke
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

„Not lehrt beten“, behauptet der Volksmund und bei so viel Not in der Welt sollte demnach auch ganz viel gebetet werden und das wird es bestimmt auch.

Ob aber jemandem, der nicht gewöhnt ist zu beten, in der akuten Notsituation passende Worte einfallen, bezweifle ich.

Doch selbst ein „unaussprechliches Seufzen“ kann inspiriert sein (Römer 8, 26) und Gott braucht keine wohlformulierten Sätze, um zu wissen, wie uns zumute ist.

Doch hört er uns überhaupt und erhört er gar Gebete, oder ist Beten eigentlich nur ein Sprechen des Menschen mit sich selbst, statt ein Reden mit Gott, wie manche (Religions-) Kritiker meinen?

Beten beinhaltet auf jeden Fall auch Momente der Selbst-reflektion und, je geübter ich bin, bringt es mir auch umso größere Klarheit darüber, wo ich gerade stehe und was ich mit meinem Leben anfangen will.

Ob Beten noch mehr ist, als ein „Selbstgespräch“, lässt sich nicht beweisen, doch wer mit Gott als „Gegenüber“ rechnet, wird andere Erfahrungen machen, als der, der es nicht tut!

Wofür also lohnt es sich, zu beten? Je nach Lebenssituation wird es verschiedene mögliche Antworten auf diese Frage geben.

Der Apostel Paulus hat darauf in Phil. 1, 9 – unserem Monatsspruch für Juli 2017 – eine sehr schöne Antwort - ursprünglich an seine Gemeinde in Philippi gerichtet - gegeben:    „Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung.“

Eine wunderschöne Bitte, finde ich, die wir uns gerne zu Eigen machen sollten, ob wir nun Selbstreflektion betreiben oder das Gespräch mit Gott suchen. Es geht um ein Wachsen und Reifen in der Liebe. Und dieser Prozess ist ja eigentlich niemals abgeschlossen, egal wie jung oder alt wir auch sind.

Interessanterweise siedelt Paulus Liebe hier nicht allein auf der Gefühlsebene an, es geht ihm um reichere Erkenntnis und Erfahrung in Liebe und aus Liebe. Und das bedeutet doch, dass Denken und Fühlen beieinander gehalten werden. Es bedeutet auch, dass Vernunft ohne Liebe keinen Sinn hat, sondern dass es uns um eine „liebende Vernunft“ gehen muss, wenn wir die (weltweiten) Herausforderungen bewältigen wollen, vor die wir gestellt sind.

Aber auch in unseren kleinen Alltagsverrichtungen und zwischenmenschlichen Begegnungen machen Lieblosigkeiten uns das Leben oft unnötig schwer. Beten kann uns demgegenüber neue Lebensperspektiven eröffnen. Wenn meine Liebe reicher an Erkenntnis und Erfahrungen werden kann, brauche ich mich selbst nicht mehr ohne Liebe zu betrachten und unabhängig davon zu definieren, schon gar nicht, wenn der, an den ich mich im Gebet wenden darf „die Liebe selbst“ (1. Joh. 4, 16) ist.

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