Historischer Überblick Evangelischer Kirchenkreis

Einleitung

Der Kirchenkreis Koblenz hat eine reiche und interessante Geschichte. Charakteristisch ist, dass in unserem Gebiet ganz unterschiedliche evangelische Traditionen bestehen. Dies hat mit der starken territorialen Zersplitterung in der Zeit vor der Französischen Revolution zu tun. Uralte, bereits in der Reformationszeit begründete Gemeinden stehen deshalb heute neben ganz jungen Diasporagemeinden, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen entstanden. Aber auch bei den alten evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises Koblenz herrscht historische Vielfalt. Manche Gemeinden kommen aus der lutherischen Tradition, andere aus der reformierten. Die Gemeinden im äußersten Norden unseres Kirchenkreises kennen bereits seit über vierhundert Jahren das System der presbyterial-synodalen Selbstverwaltung, während alle anderen bis ins 19. Jahrhundert vom landesherrlichen Kirchenregiment geprägt waren. Erst mit dem Übergang des Rheinlandes an Preußen und der Gründung des Kirchenkreises Koblenz im Jahr 1817 wuchsen diese unterschiedlichen Traditionen allmählich zu dem Gebilde zusammen, als das sich unser Kirchenkreis heute darstellt.

Innenansicht Stiftskirche zu St. Goar

Einführung der Reformation

Im Reformationszeitalter war die dominierende Macht auf dem Gebiet des heutigen Kirchenkreises Koblenz das katholische Kurfürstentum Trier. Nur in einzelnen von evangelischen Landesherren regierten territorialen Inseln konnte sich das reformatorische Bekenntnis durchsetzen.

Am frühesten geschah dies in den damals hessischen Gebieten um St. Goar, Biebernheim, Werlau mit seinem Filial Holzfeld und Pfalzfeld mit seinem Filial Badenhard sowie Rhens. Landgraf Philipp der Großmütige führte schon zum Jahreswechsel 1527/28 - zu einem Zeitpunkt, als das Luthertum reichsrechtlich noch gar nicht anerkannt war - in ganz Hessen und damit auch am Mittelrhein die Reformation ein. St. Goar ist damit die älteste evangelische Gemeinde unserer Landeskirche.

Nachdem der Augsburger Religionsfriede 1555 das lutherische Bekenntnis anerkannt hatte, führten auch andere, schon länger mit dem Protestantismus sympathisierende Fürsten die Reformation offiziell ein. Zu den Landen des Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz – neben Philipp von Hessen ein zweiter führender evangelischer Landesherr in Deutschland – gehörte unter anderem das sogenannte Viertälergebiet mit den Gemeinden Bacharach, Steeg, Oberdiebach und Manubach, wo er 1556 das Luthertum offiziell einführte; erste evangelische Gottesdienste hatte es in diesem Gebiet jedoch schon seit 1546 gegeben. 1557 zog sein Vetter Herzog Friedrich von Pfalz-Simmern nach. Da er Mitregent der Hinteren Grafschaft Sponheim war, zu der die Exklave Winningen gehörte, ging auch diese Gemeinde im Jahr 1557 zum lutherischen Bekenntnis über. Einige Jahre später folgte Bendorf, wo Graf Adolf von Sayn 1561/62 die Reformation einführte.
Die beiden nördlichsten Gemeinden des Kirchenkreises, Oberwinter und Remagen, nahmen eine besondere Entwicklung. In Oberwinter hatte sich schon 1549, also bereits vor dem Augsburger Religionsfrieden eine evangelische Gemeinde gebildet, an die sich im späteren 16. Jahrhundert auch die kleine evangelische Gemeinde Remagen anlehnte. Seit Mitte der 1560er Jahre gehörten die beiden Gemeinden zum Herzogtum Jülich, wo es seit dem 17. Jahrhundert kein landesherrliches Kirchenregiment mehr gab, sondern die Gemeinden in Klassen, Provinzialsynoden und Generalsynoden die kirchlichen Angelegenheiten selbst verwalteten. So machten Oberwinter und Remagen – im Gegensatz zu allen anderen Gemeinden des Kirchenkreises Koblenz – vom späten 16. bis ins späte 18. Jahrhundert die kirchengeschichtliche Entwicklung der niederrheinischen Gebiete mit und hatten Anteil an der dort herrschenden Selbstverwaltungstradition.

Rhenser Kirchenbuchs

Gescheiterte Reformationsversuche

Auch in den von katholischen Landesherren regierten Gebieten gab es Versuche, die Reformation durchzusetzen; sie blieben jedoch vergeblich. In Koblenz lebten seit den 1520er Jahren vereinzelte Lutheraner, die aber seit der Mitte des 16. Jahrhunderts immer schärferen Repressalien ausgesetzt waren.

Die Abhaltung eigener Gottesdienste war ihnen verboten, so dass sie sich an die benachbarten Gemeinden Rhens und Winningen hielten. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts war Koblenz wieder rein katholisch.
Ein wesentlich kürzeres Zwischenspiel stellte der Reformationsversuch in der kurkölnischen Stadt Andernach dar. Als der Kölner Erzbischof Hermann von Wied 1543 versuchte, seinen Kurstaat der Reformation zuzuführen, wurde auch in Andernach evangelisch gepredigt. Nach der Abdankung Hermann von Wieds 1547 ging das evangelische Gemeindeleben schnell wieder ein, doch besuchten die verbliebenen Andernacher Protestanten noch bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts den evangelischen Gottesdienst im auf der anderen Rheinseite gelegenen Feldkirchen. Dann kam auch in Andernach das evangelische Leben
zum Erliegen.

Privileg zur Errichtung der reformierten Gemeinde Bendorf vom 23. August 1747

Lutheraner und Reformierte

Von der Spaltung der reformatorischen Bewegung in Lutheraner und Reformierte blieb das Gebiet des heutigen Kirchenkreises Koblenz nicht verschont. 1563 führte die Kurpfalz das calvinistische Bekenntnis ein, das von nun an in den Viertälergemeinden Bacharach, Steeg, Oberdiebach und Manubach bestimmend blieb.

Auch die Gemeinden Oberwinter und Remagen gingen zum Calvinismus über und nahmen regelmäßig an den reformierten Synoden des Herzogtums Jülich teil. St. Goar, Winningen und Bendorf blieben hingegen lutherisch. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde auch das reformierte Bekenntnis reichrechtlich anerkannt und das Verhältnis zwischen den evangelischen Konfessionen entspannte sich zunehmend. So entstand 1649 in St. Goar neben der alten lutherischen auch eine reformierte Gemeinde, 1701 bildete sich im überwiegend reformierten Bacharach eine kleine lutherische Gemeinde. Im lutherischen Bendorf waren es vor allem wirtschaftliche Motive, die den Landesherrn 1747 bewogen, die Gründung einer reformierten Gemeinde zu gewähren. Bis zur Union im Jahr 1817 bestanden in St. Goar, Bacharach und Bendorf lutherische und reformierte Gemeinden nebeneinander.

Erstes Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz, gegründet 1803

Franzosenzeit

Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen brach 1794 die alte kirchliche Ordnung zusammen. Wie die staatliche, so wurde auch die kirchliche Verwaltung völlig neu organisiert. Der linksrheinische Teil des heutigen Kirchenkreises Koblenz gehörte nun zum Rhein-Mosel-Departement.

Der kirchengeschichtlich bedeutsamste Fortschritt der Franzosenzeit war die volle rechtliche Gleichstellung aller drei christlichen Konfessionen, doch blieb die Trennung von Lutheranern und Reformierten festgeschrieben. In die Franzosenzeit fällt auch die erste Gründung einer evangelischen Diasporagemeinde auf dem Gebiet des Kirchenkreises Koblenz. Im überwiegend katholischen Koblenz schlossen sich 1802/1803 einige evangelische Einwohner, die seit 1783 in der Stadt geduldet waren, zu einer eigenen evangelischen Gemeinde zusammen. Erst mit den von den Franzosen eingeführten modernen Grundsätzen der konfessionellen Parität und der religiösen Neutralität des Staats war dies möglich geworden.

Altarbibel der 1902 eingeweihten Kirche in Pfaffendorf mit Widmung der Kaiserin Auguste Victoria

19. und frühes 20. Jahrhundert

Mit dem Übergang der Rheinlande an Preußen auf dem Wiener Kongress 1815 begann für den Protestantismus am Mittelrhein ein neues Zeitalter. Der evangelische König betrieb nicht nur die 1817 vollzogene Union von Lutheranern und Reformierten, sondern unterstützte auch aktiv die Neubegründung evangelischer Gemeinden in der Diaspora. Weite Teile des 1817 gebildeten Kirchenkreises Koblenz hatten vor der Französischen Revolution zu Kurtrier gehört und waren deshalb katholisch geprägt.

Durch den Zuzug evangelischer preußischer Beamter wuchs aber auch in diesen Gebieten ein zunehmendes Bedürfnis nach evangelischem Gottesdienst. So entstanden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts evangelische Gemeinde in Mayen (1821), Linz (1845), Boppard (1846) und Andernach (1854). Neuenahr, Cochem und Vallendar wurden zwar seit der Jahrhundertmitte von eigenen Pfarrvikaren betreut, erhielten aber erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ihre volle Selbständigkeit (Neuenahr 1878, Cochem 1884, Vallendar 1886). Ähnliches gilt für die Gemeinde Adenau, die im Jahr 1894 als eigene Gemeinde gegründet wurde, aber noch bis 1906 durch einen von Neuenahr abhängigen Pfarrvikar betreut wurde. 1899 hatte die bis dahin zu Koblenz gehörende Gemeinde Pfaffendorf ihre volle Selbständigkeit erreicht.

Lic. Karl Sachsse (1889-1966)

Kirche im Dritten Reich

Die NS-Diktatur stellte auch im Kirchenkreis Koblenz eine schwere Belastung dar. Der Kirchenkampf spaltete viele Gemeinden und Presbyterien in Deutsche Christen (DC) und Anhänger der Bekennenden Kirche (BK). Während die DC einer Anpassung der christlichen Botschaft an die Ideologie des Nationalsozialismus das Wort redeten – ihre extremsten Vertreter gingen sogar so weit, das Alte Testament als Basis des christlichen Glaubens abzulehnen –, hielt die BK an der überlieferten Bekenntnisgrundlage fest und wehrte sich gegen eine Verquickung der christlichen Heilsbotschaft mit nationalsozialistischem Gedankengut.
In den meisten Gemeinden des Kirchenkreises hielten sich die Pfarrer und Presbyter – nach einer in den ersten Monaten des Jahres 1933 fast einhelligen Begeisterung für das neue politische Regime – zur Bekennenden Kirche.

Von besonderer Bedeutung für den Kirchenkreis Koblenz war der seit 1920 als Pfarrer in Oberwinter amtierende Lic. Karl Sachsse, der von 1941 bis 1959 als Superintendenturverwalter bzw. Superintendent tätig war. Nach 1945 wurde er Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) für die französische Besatzungszone. Sachsse hatte 1934 an der Barmer Bekenntnissynode teilgenommen und hielt auch die Gemeinde Oberwinter bei der Bekennenden Kirche.
Es gab aber auch mehrere Gemeinden, in denen ausgewiesene DC-Pfarrer amtierten, so in Pfaffendorf (Heinrich Weinmann), Bendorf (Karl Ernst Roeder), St. Goar (Friedrich Wilhelm Hartmann) und Cochem (Karl Robert Koch). Besonders brisant war die Lage in der Gemeinde Koblenz, deren erste beide Pfarrstellen von den DC-Männern Rudolf Wolfrum und Friedrich Hennes, die dritte aber von dem BK-Pfarrer Wilhelm Winterberg besetzt war. Auch das Koblenzer Presbyterium war gespalten.
Wie differenziert aber das Handeln der evangelischen Pfarrer während der NS-Zeit beurteilt werden muss, mag das Beispiel des Werlauer und später Neuenahrer Pfarrers Oskar Börner verdeutlichen. Bei seiner Amtseinführung in Neuenahr noch NSDAP-Mitglied, geriet er später in der Frage der Beerdigung konvertierter Juden in Konflikt mit der Partei und engagierte sich in der Bekennenden Kirche.

Die Zeit seit 1945

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war - neben den materiellen Nöten - vor allem von dem Bemühen um die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten geprägt. Da viele dieser Zugezogenen evangelisch waren, wurde bald die Gründung neuer Gemeinden erforderlich. So entstanden 1950 die zunächst noch pfarramtlich miteinander verbundenen Gemeinden Urmitz-Mülheim und Plaidt, 1952 die Gemeinde Niederbreisig (heute Bad Breisig), 1954 die pfarramtlich mit Pfalzfeld verbundene Gemeinde Emmelshausen und 1959 die Gemeinde Weißenthurm, die 1975 eine eigene Pfarrstelle erhielt. Die Gemeinde Niedermendig (heute Mendig) war 1893 als Filial von Mayen gegründet worden und erhielt 1961 eine eigene Pfarrstelle. Seit 1964 gab es in Büchel-Brauheck bei Cochem eine eigenständige Militärkirchengemeinde, die allerdings zum Jahresende 1979 wieder aufgehoben wurde. Die Gemeinde Koblenz wurde im Jahr 1966 geteilt; es entstanden die drei Gemeinden Koblenz-Mitte, Koblenz-Karthause und Koblenz-Lützel. Im Jahr 1973 gingen die Gemeinden Engers, Bad Hönningen und Linz vom Kirchenkreis Koblenz in den verkehrstechnisch für sie günstiger gelegenen Kirchenkreis Wied über. Seitdem hat sich der Kirchenkreis Koblenz in seiner räumlichen Ausdehnung nicht mehr verändert. Als jüngste Gemeinde entstand im Jahr 2004 die Gemeinde Maifeld, die zuvor ein Teil der Gemeinde Mayen gewesen war.

Dr. Andreas Metzing
- Landeskirchen-Oberarchivrat -

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